Portfolio 2

on behalf of the soul

Bilder, denen man Glauben schenkt

Zur Serie „Im Auftrag der Seele“ von Joachim Feigl

Der religiöse Kult ist – da gleicht er sich in jeder Religion – eine Praxis der Verehrung des Göttlichen. Diese Verehrung ist eigentlich nicht fotografierbar – und das auch ganz praktisch, denn, wie etwa im Oldenburgischen Kirchenrecht zu lesen ist: „Fast alle Kirchen haben bei uns nach 1945 angeordnet, dass während gottesdienstlicher Handlungen in der Kirche nicht fotografiert werden darf.“

Der Gottesdienst ist also noch immer ein Bereich, in dem das Fotografieren zumeist untersagt ist. Es ist noch immer ein Tabu. Auch Joachim Feigl unterlässt es in seiner im Jahr 2013 und 2014 entstandenen Serie „Im Auftrag der Seele. Geistliche vor und nach dem Kult“, die ritualisierten Handlungen des Kultus direkt abzulichten.

41 Geistliche verschiedener Religionen hat er – zumeist in Baden-Württemberg – vor und nach dem Gottesdienst fotografiert. Davor und danach. Nicht dabei. Doch was man als Einschränkung erkennen könnte, zeigt sich in dieser Serie als das Wesentliche: Nicht die eigentliche Anbetung, nicht der Gottesdienst, nicht der Altar, nicht das komplexe Regelwerk des muslimischen, hinduistischen, buddhistischen, jüdischen und christlichen Kultus ist das Thema – und auch nicht die Gemeinschaft der Gläubigen.

Stattdessen schafft Feigl Porträts von Menschen. Statt einer Verehrung der Bilder, einer Verehrung göttlicher Wesen und Kräfte, fertigt er Bildnisse jener Frauen und Männer, die den Glauben mit Leben füllen. Diese Porträts zeigen den Alltag des Ritus, zeigen die Menschen in mal kargen, dann funktionalen, dann wieder prächtigen Räumen, zeigen sie mal andächtig, dann wartend, mal gelangweilt sogar, mal im Gespräch oder einfach müde, dann wieder versunken. Mal blicken sie auf die Uhr, mal rauchen sie eine Zigarette, mal scherzen sie. Oder trinken einen türkischen Tee.

Es sind Menschen, doch ist ihre Tätigkeit nicht alltäglich. Und so gelingt es Feigl in seiner Schwarzweiß-Serie auf überraschende Art, das Geheimnis der Religion zu bewahren, doch seine Protagonisten nicht zu verklären. Seine Priester und Pfarrer, seine Gottesleute sind zumeist in liturgische Gewänder gekleidet, manchmal noch oder schon wieder in Alltagskleidung. Aber auch dieser Gegensatz scheint nicht entscheidend.

In der Serie geht es um das Menschliche im Glauben: Es sind tiefschichtige Porträts, welche die Gezeigten in ihrem Wesen erfassen wollen. Und das gelingt dem Fotografen in einer einfachen, gänzlich unspektakulären Bildsprache. Nichts liegt ihm ferner, als den Betrachter durch fotografische Effekte zu blenden: Er arbeitet kaum mit Unschärfe, mit dramatischen Kontrasten oder Helligkeitsunterschieden. Seine fotografische Methode ist nüchtern, doch seine Bildergebnisse sind es nicht: Sie gehen ans Herz. Sie öffnen eine Tür. Sie bringen uns zu den dargestellten Personen. In gewisser Weise gleicht die Tätigkeit des Fotografen der des Priesters: Er ist ein Übersetzer, einer, der eine Tür öffnet, der uns etwas zeigt, das wir vorher nicht gesehen haben.

Es ist eine alte Frage, inwieweit das fotografische Bild als Abbild der Realität taugt. Deutlich scheint in diesem Fall: Die Porträts von Joachim Feigl sind tatsächlich Zeugnisse jener „irrationalen Macht“, die laut André Bazins 1958 erschienenem Aufsatz „Ontologie des fotografischen Bildes“ von der Fotografie ausgeht. Leon Engler hat in seinem Buch „Die Glaubwürdigkeit der Fotografie“ in der Gedankentradition des französischen Filmkritikers darauf hingewiesen, dass es der Glaube an die Fotografie ist, welche ihr Glaubwürdigkeit verleiht. Und es ist auch ein starker Glaube, der die Religionen am Leben erhält. Von dieser faszinierenden Parallelität erzählt die fotografische Serie von Joachim Feigl. Seine Bilder, das zeichnet sie aus, sind Bilder, denen man Glauben schenkt.

Marc Peschke